Sommersound - Klezmer Musik (WAZ 1999)

"Die Lieder sind erdenschwer und federleicht"

Die Zeit scheint still zu stehen, während die Klarinette anklagend aufschreit. "Ghetto" heißt das Stück, das die Gruppe Badeken dl Kallah beim Sommersound am Sonntagabend Im Stadtgarten eher andächtig zelebrierte, als dass sie es spielte.

Entstanden ist diese tieftraurige Musik irgendwann Anfang der 40er Jahre im Warschauer Ghetto, im Angesicht des Todes. Brutaler und dennoch nur vorläufiger Schlusspunkt der Musik der jiddischen Spielleute. In den letzten Jahren ist Klezmer von vielen Musikern wieder entdeckt worden, und in Gelsenkirchen schicken sich Badeken di Kallah an ein großes Erbe zu bewahren. Norbert Labatzki (Klarinette), Gerd Krischek (Akkordeon), Ralf Zeranski (Kontrabass) und Christian Hammer (Gitarre) vermieden am Sonntagabend wohltuend jede falsche Nostalgie, jedes hohle Pathos. Klezmer, das sind kleine Schichten, Marginalien vielleicht. Ein musikalisches Zwinkern das nur der Blues meistert. Sie sind zugleich erdenschwer und federleicht, sie wühlen im Schmerz und verbreiten dennoch Hoffnung, Sie zwingen Dich zum Nachdenken und fordern auf zum Tanz. Direkt nach dem beklemmenden "Ghetto" spielen Badeken die Kallah "Ein bisschen Glück". Plötzlich swingt die Klarinette. Über luftigem Rhythmus greift die alte Musik ihre unbändige Kraft aus dem Leben, für das Leben. Selbst, und gerade wenn sie vom Tod erzählt.

PresseartikelPresseartikel